Marl ist ein Kunstprodukt und dazu noch eins, das keiner besucht.
Da passt es irgendwie, dass es dort ein Skulpturenmuseum mit einem Skulpturenpark und einer beträchtlichen Anzahl an Kunstwerken im öffentlichen Raum gibt.
Vorbei:
| 2024 im Pavillon an der Martin-Luther-King-Schule in Marl-Hüls:
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Aber irgendwie passt es denn eigentlich auch nicht.
Marl ist eine Kleinstadt fast schon im Münsterland, dann aber doch sichtlich am Rande des Ruhrgebiets, bestehend aus einer Anzahl zersiedelter Dörfer, mehreren Industriebrachen und Zechen mit pittoresken Fördergerüsten und verfallenden Backsteinbauten, aus ein paar alten Höfen und Fachwerkhäusern und ziemlich vielen heruntergekommenen Straßen und Häusern, aus dem Chemiepark Marl und der Marler Mitte.
Marl Mitte: Little BrasiliaDörfer und Siedlungen um Zechen herum (manche selbst schon kleine Städtchen) wurden zur Kleinstadt Marl zusammengefasst. Nördlich des Emscher-Abwasserkanals und der ehemaligen Bunawerke, dem heutigen Chemiepark Marl, wurde als Krönung die Marler Mitte geplant. Eigentlich ja eine gute Idee: Politik, Verwaltung, Kultur, Einkaufszentrum, Wohnungen, Parks - alles eng beisammen und verbunden und an den Chemiepark angebunden durch breite Straßen, die eher innerstädtischen Autobahnen gleichen.Nur dass in den 1960er und 1970er Jahren der Städtebau auf der Architektur und Städteplanung der 1920er und 1930er Jahre fußten. Stichworte sind Le Corbusier und Bauhaus, deren Vorstellungen und Visionen - auch wenn dies einige nicht so gern hören mögen - nahtlos vom Faschismus und übernommen werden konnten. Warum gerade diese faschistoide Architektur und Raumplanung nach dem Zweiten Weltkrieg durch Politiker und Planer der Linken übernommen wurde, bleibt deren Rätsel. Lúcio Costa und Oscar Niemeyer entwarfen nach ihren Prinzipien in den 1950er und 1960er Jahren die Planstadt im Dschungel, Brasilia. In Westdeutschland waren es die Sozialdemokratie und Gewerkschaften, im Ostblock die sowjetisch-kommunistischen Parteien mit dem sogenannten Sowjetischen Realismus. Nach dem Krieg brauchte man schnell neue Gebäude und insbesondere Wohnungen; viele Städte waren großflächig zerstört; die moderne Gesellschaft (so fasste man sich auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf) benötigte eine andere Raumplanung als die gewachsene - das sind die gängigen Argumente. Die NachkriegsmoderneDie Neue Heimat, ein bis in die 1980er Jahre, gigantisches Wohnungsbauunternehmen der Gewerkschaft (DGB), baute riesige Hochhaussiedlungen. Insbesondere im Ruhrgebiet übernahmen fast alle Städte die architektonische und raumplanerische Philosophie des Bauhaus. Funktionale Teilung von Arbeiten/Gewerbe und Wohnen, Verbindungslinien fast ausschließlich auf das Auto abgestimmt. Im Ruhrgebiet wurde dieser Philosophie sogar der vereinzelt noch im Bombenhagel übrig gebliebene Altbestand geopfert.
Wie so viele Bauten der Moderne aber mit einer kurzen Halbwertzeit von etwa 50 Jahren. Was dazu führt, dass sie alle seit den 1990er Jahren abgerissen oder saniert worden sind, zum Beispiel das UNESCO-Weltkulturerbe Zeche Zollverein in Essen. Oder saniert werden, wie Marl Mitte. Mehr Infos dazu gibt es
Selbst dort hat sich aber wie in den vielen Industriebrachen des Ruhrgebiets die Natur, na ja: haben sich Gräser, Büsche und Bäume die Mitte wiedererobert. Da das Gelände teilweise weiträumig umzäunt ist, sieht man oft die Highlights der 1970er Jahr Architektur nur noch hinter dem Laub hindurchlugen. Marl-Mitte ist an sich ein Ziel. Mehr dazu ganz unten in diesem Beitrag. |
Das alles sieht nicht nach Kultur und Bildungsbürgertum aus, eher noch weniger als in den anderen Ruhrgebietsstädten, wo sich die bürgerliche oder alternative Kultur zäh an alte Zechen oder neue Mitten geheftet hat.
Und doch blüht es auch in Marl, das Kunstpflänzchen, was nicht zuletzt am Förderverein Habakuk und am derzeitigen Direktor des Skulpturenmuseums, Georg Elben, liegen wird. Und vermutlich auch am brummenden Chemiepark Marl, der der Stadt sprudelnde Einnahmen verschaffen müsste, wo sonst nur Öde und Verfall wäre.
Infos zum Skulpturenmuseum Marl
Die Sammlung ist derzeit ausgelagert in Münster. 2026 soll das neue Museum in der ehemaligen Schule "Marschall 66" in der Kampstraße 8-10, etwa 500 m vom ehemaligen Glaskasten der Marler Mitte entfernt, einziehen (Mehr: Zukunft findet Stadt: Marl).
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- Adresse / Kontakt: Skulpturenmuseum Marl, Ausweichquartier an der Martin-Luther-King Schule, Georg-Herwegh-Straße 63-67, 45772 Marl-Hüls, skulpturenmuseum@marl.de, Tel. 02365 992257.
- Anfahrt / ÖPNV: Am besten als Radtour gen Münsterland planen.
Marl insgesamt ist sehr schlecht per ÖPNV angebunden: Zum Ausweichquartier des Skulpturenmuseums geht nur die Buslinie 220 von Recklinghausen Hbf, Marl-Bahnhof Sinsen und dem S-Bahnhof Marl-Mitte, Haltestelle: Georg-Herwegh-Straße. Etwa einmal stündlich :-(
Nach Marl-Mitte kommt man mit der S9 von Haltern oder Essen, nach Marl-Sinsen mit der RB42 und RB41. - Öffnungszeiten: Di-Fr 11-17 Uhr, Sa, So, feiertags 11-18 Uhr.
- Eintritt frei.
- Führungen: Führungen im Pavillon der Martin-Luther-King-Schule in Marl-Hüls jeden Sonntag um 15:30 Uhr.
Führungen zu den Skulpturen im Raum Marl-Mitte: Jeden Sonntag 15:30 Uhr in Marl-Mitte, Treffpunkt Revolver-Skulptur am Creiler Platz.
Anmeldungen: Skulpturenmuseummarl@gmail.com. - Website Skulpturenmuseum Marl.
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Ausstellungen
- Unite, Juni - Juli 2024
- Sculptural Crossing 2024
- China8 2015: Die angehaltene Zeit. Video und Sound. Auch fast 10 Jahre später noch überkommt den Autor das Staunen über diese wunderbare Videokunst-Ausstellung im Glaskasten Marl (13.7.24).
Fotos zum Skulpturenmuseum Marl
Skulpturenpark Marl
Neben den Skulpturen in Marl Mitte gibt es weitere auf dem Hauptfriedhof und in Marl-Hüls, und zwar im Umfeld des Ausweichquartiers in der Martin-Luther-King-Schule und auf dem Gelände der ehemaligen Paracelsus-Klinik.
Marl Mitte
Die Revolver-Skulptur am Creiler Platz, die einen besseren Platz verdient hätte:
Marl-Hüls
Marl Mitte selbst ist ein Ziel
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Jahrelang war es 5 vor 12 auf dem Platz vor dem Glaskasten und Rathaus in Marl Mitte, aber selbst damit ist es vorbei.
2015: Marl Mitte mit dem Skulpturenmuseum Glaskasten Marl
Vor Auszug und Sanierung 2015:
(c) Vera Kriebel, 13.07.2024 und 2015 (anlässlich von China8 in Marl)
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