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Montag, 4. Mai 2015

Düsseldorf, Glasmuseum

1000 gäserne Ideen? Bleiglasvasen und Ikeatrinkbecher - und ein großes Gähnen.

Wer beim Thema Glasmuseum gleich gelangweilt umdreht, weil er darunter entweder mittelaltermarkt- und familientaugliche kunsthandwerkliche Präsentationen oder endlose Vitrinenreihen mit Großmutters dekorativen Väschen á la Jugendstil und Art Déco oder mit Kristallgläsern zeitloser Hässlichkeit versteht, sollte 'mal ins Glasmuseum im Düsseldorfer Kunstpalast gehen. Glaskunst dort ist definitiv mehr als Bleiglas und Deko-Vasen!

Das Glasmuseum ist ein Tipp (nicht nur, aber auch) für alle, die außergewöhnliches Design und moderne Kunst lieben.Und für die, die einfach nur staunen wollen, wie Glas auch aussehen kann.

Gummibärchenbunte Welt unter Glas

Czeslaw Zuber: Form und Leere, 1990
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010


Glas-Objekte von der Antike bis Heute

Das Düsseldorfer Glasmuseum ist Teil des Kunstpalasts, des Düsseldorfer Kunstmuseums, und also kein Mitmachmuseum, das sich vorrangig mit der Glasherstellung beschäftigt (dieser Bereich wird nur kurz angerissen), sondern ein Kunstmuseum. Zu sehen gibt es dort Glaskunst, keine praxisorientierten Informationen zum Glas-Handwerk.

Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010
Natürlich sind auch die hier ausgestellten Glasobjekte vor allem Vasen in einer zugleich faszinierenden wie ermüdenden Vielfältigkeit. Aber gleich der erste Eindruck beim Eintreten der in die Tiefe führende Museumsgalerie zeigt, dass Glasobjekte heute von einer künstlerischen Ausruckskraft sind, die in nichts den der Skulpturen anderer Materialien nachsteht. Die Fotos unten mögen davon einen kleinen Eindruck geben. Da steht der gitterartig aufgebaute Turm aus fast undurchsichtigem matten Glas; das undurchsichtige hellgraue Gebäude; die Figur des "Beobachters" hängt als Pendel in einer Glas-Zarge; der gläserne Ziegenbock mit wild abstehenden Glashaaren ist Teil von Marta Klonowskas Streichelzoo; der gelbliche, durchsichtige Klumpen mit bunten "Intarsien" - der wie Gummibärchen-Kunst wirkt (Vallien: Form und Leere, Fotos siehe unten) ...


MuseumsIrrgarten: Sammlungen, Epochen, Vasen


Das Glasmuseum Hentrich (das Museum besteht zu einem Großteil aus der Sammlung Hentrich), das zusammen mit den Victoria & Albert Museums in London als bedeutendste europäische Glassammlung gilt, ist im Kunstpalast-Altbau untergebracht. Die Räumlichkeiten wurden durch die Schweizer Agentur Steiner Sarnen völlig neu gestaltet - mit uneinheitlichem Erfolg: Denn die Trennung des "Schatzhauses", das jetzt analog zum "Shop-inShop"-System ein Haus im Haus ist, hat den positiven Effekt, dass man nicht gleich von den traditionellen Gläsersammlungen erschlagen wird und außerdem als Präsentationsflächen nicht nur Vitrinen, sondern auch Wand-Schaukästen genutzt werden können. Andererseits wird dadurch die Sammlung auch zu einem Irrgarten und das neue Konzept offenbart sich nicht auf den ersten Blick.

SpotOn 2015 Jugendstil-Glas der Manufaktur Lötz
Glasmuseum, Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2015
Das innen liegende "Schatzhaus" zeigt auf drei Etagen die wertvollsten Gläser der Sammlung und beispielhafte Exponate einzelner Epochen. Rund um das "Schatzhaus" sind zum einen Kollektionen einzelner Sammler zu sehen, die dem Museum - welches Namen und Bedeutung ja auch der Schenkung des Sammlers Hentrich verdankt - wichtige Impulse geben. Zum anderen wird hier ausführlich auf die Glasgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart eingegangen.


Im Untergeschoss, das den Charme einer Leichenhalle verströmt, auf Museumsdeutsch aber "Studiengalerie" genannt wird, sind die Vitrinen mit Tausenden von Gläsern geradezu geflutet - das ist dann der ermüdende Glasmuseum-Horror, den der obige Vasenhasser weiträumig umgehen wollte. Die Vasen wirken da wie tote, sinnlos nebeneinander gehortete Raritäten in einem verstaubten Kellerarchiv.

Andererseits befinden sich im Untergeschoss auch Beispiele moderner Glasmalerei und interessante Info-Inseln zur Glasherstellung und Glasveredelung, zum Beispiel die leicht übersehbaren Modelle, die demonstrieren, wie bestimmte Muster - so das Zopfmuster - in die Gläser kommen, oder Infos dazu, was Original und Fälschung unterscheidet. Diese Präsentation mit der "wilden" Nebeneinanderstellung von Gläsern verschiedener Epochen unterscheidet sich von der gewohnten, an ihrer Entstehungszeit orientierten, ist jedoch expliziter Bestandteil der Museumskonzeption - wobei die Vorteile dem Besucher nicht einfach ersichtlich werden.

Infos zum Glasmuseum Hentrich, Museum Kunstpalast, Düsseldorf


Clemens Weiss, SpotOn 2011
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 24.3.2011
  • Adresse / Kontakt: Stiftung Museum Kunstpalast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf, Mail: info@smkp.de, Tel. 0211 566 42 100. Website Glasmuseum Hentrich.
  • Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Uhr, Do 11-21 Uhr, montags geschlossen (außer an Feiertagen). Einzelne Sonderausstellungen können auch abweichende Öffnungszeiten haben.
  • Mehr Infos zu Anfahrt, Eintrittspreisen, Veranstaltungen beim Kunstpalast.




Eine kurze Geschichte zum Glas

In der Antike wird Glas noch nicht geblasen, sondern um einen Kern herumgeformt oder in Modellen geschmolzen. Im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt entdecken Handwerker in Syrien und Palästina die Möglichkeit, Glas mit Hilfe eines Rohres zu blasen. Glasgefäße werden mit dieser technischen Revolution im Römischen Reich zum Massengut der gesamten bekannten Welt. Mit dem Niedergang des Römischen Reiches verlagert sich das Zentrum der Glasherstellung wieder nach Osten. Im frühen und hohen Mittelalter entwickelt sich in den islamischen Reichen des Nahen Ostens eine hoch stehende Glaskultur, deren Einflüsse später in den europäischen Ländern unverkennbar sind.

Vom Trinkbecher zum Tiffany-Glas

Während nördlich der Alpen kräftig gefärbte oder mit Emailmalerei verzierte, eher grobschlächtige Trinkbecher entstehen, entspricht das farblose, dünnwandig ausgeblasene Glas aus Venedig dem Geschmack höfischer Kreise und des städtischen Patriziats. Glas im venezianischen Stil bestimmt die Glaskunst vom 16. bis weit ins 17. Jahrhundert. Glas wird verstärkt zum Repräsentationsobjekt, mit dem man seinen gesellschaftlichen Rang unterstreicht. Im 19. Jahrhundert entdeckt das Bürgertum das Sammeln. Halbkugelförmige Briefbeschwerer mit feinem Blumendekor, die in einer Sonderausstellung 2010 gezeigt wurden, sind aber ähnlich wie die durch Historismus und japanische Kunst beeinflussten Gläser des Jugendstils und Art Déco (Tiffany, Art Nouveau, Sezession) sicherlich in ihrer verspielten und symbolträchtigen oder biedermeierlichen Jungfräulichkeit nichts für den eingangs erwähnten Feind der Glasmuseen.
Das daraus folgende Industrial Design geht wieder weg von den althergebrachten Standards hin zu individuellen Formen und verbindet dies mit handwerklicher Virtuosität und Farbenfreude. Dieses Gebrauchsglas des 19. und 20. Jahrhundert bildet einen neueren Sammlungsschwerpunkt des Glasmuseums.

Studioglas und freie Glaskunst

Seit den späten 1950er Jahren loten Künstler die Möglichkeiten aus, die Glas für die freie Gestaltung bietet.

Dalechihuly: Schalenobjekt aus der Macchia Series (Detail)
Glasmuseum, Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015
Neben dem Gefäß, jetzt nicht nur Dekor, Kult- oder Gebrauchsgegenstand, sondern Bedeutungsträger, gelangen Plastik, Skulptur und Objekt zu beherrschender Bedeutung. Glaskunst wird nun nicht mehr in der Glasmanufaktur, wo Handwerker die Künstlerentwürfe realisieren, sondern im Atelier durch den Künstler selbst hergestellt. Während bei Gebrauchsglas der bekannte Leitspruch "Form follows Function" gilt, tritt bei der heutigen Glaskunst die Funktion wieder hinter die Form, hinter den künstlerischen Ausdruck, zurück. Die freie Glasplastik ist ein eigenes Genre innerhalb der Gegenwartskunst geworden (siehe Fotos unten).

Umwerfende Beispiele zeitgenössischer Glaskunst finden sich bei der Glaskünstlervereinigung.

Fotos Glasmuseum Düsseldorf 



Alfredo Barbini, Objekt, 1986
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2015
Ivo Roszypal: Musik
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2015
 

Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015


Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015

Ivan Mareš: Turm, 1985 (Detail)
Glasmuseum, Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015


Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015

Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015

Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015

Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015

Glasmuseum
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Martin Merz, 2015



SpotOn 2015 Jugendstil-Glas der Manufaktur Lötz
Glasmuseum, Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2015


Glasziege, Marta Klonowska
Glasmuseum Hentrich,
Kunstpalast, DÜS
Foto: Vera Kriebel, 2011

Glasmosaik, Johan Thorn Prikker
Foyer Altbau
Foto: Vera Kriebel, 2010


Glasmuseum Hentrich
Museum Kunstpalast, Düsseldorf

Fl. Lechner - Blaue Säule
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010





K. Ogita - Life and Time
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010

Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010

Ivan Mareš: Turm, 1985
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010



Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010


Czeslaw Zuber: Form und Leere, 1990
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010



Bertil Vallien: Pendel 'Beobachter'
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010


Clark: Dual Form
Glasmuseum, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 2010



Clemens Weiss, SpotOn 2011
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 24.3.2011





Clemens Weiss, SpotOn 2011
Kunstpalast, Düsseldorf
Foto: Vera Kriebel, 24.3.2011



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