Kunst in ... Duisburg (DKM), Mülheim an der Ruhr, Essen (Folkwang), Bottrop (Museum Quadrat, Josef Albers Museum), Hagen (Osthausmuseum, Emil Schumacher Museum), Dortmund (Dortmunder U, Ostwallmuseum, HMKV), Hamm (Gustav-Lübcke-Museum) und Düsseldorf mit K20 + K21 + Kunstpalast


Donnerstag, 12. November 2015

Dortmund, HMKV im Dortmunder U

Der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) sieht sich nicht als Museum, ist aber doch eins. Zunächst einmal weil ganz normal ausgestellt wird, oft, aber nicht immer Medienkunst.


Francis Hunger: Live-Performances "Die SETUN-Verschwörung"
HMKV im Dortmunder U - 21.4.-22.7.2012

Medienkunst - das klingt nach Documenta und Avantgarde. Beim HMKV versucht die Chefin Inke Arns, die seit 2005 Ausrichtung und Charakter der Ausstellungen bestimmt, den Bogen von nervös flackernden Kunst-Videos zu Gaming Worlds, Verschwörungstheorien, politischem Engagement, Net-Kitsch, Jugendkultur und schlichtem Info- und Entertainment zu ziehen - mit einem Netz dekonstruktivistischer Ansätze überspannt. Das klingt nach einem schwierigen, eigensinnigen Spagat, und das ist es auch.
Soundslike Silence (Cage – 4'33'' – Stille / 1912 – 1952 – 2012)
HMKV im Dortmunder U, 25. August 2012 bis 06. Januar 2013

Die Ausstellungen des HMKV sind eine Mischung von Engagement und (Medien)Kunst und Games, haben immer "etwas zu sagen", wollen etwas erreichen, haben starke gesellschaftliche und politische Ansatzpunkte, sind also nie nur Video-Shows mit Kitsch- und Fun-Faktor. Im Gegenteil: Als Teil der culture engagée (im englischsprachigen Raum: als committed bezeichnet) versucht sich der HMKV außerordentlich gründlich in sozialkritischen und philosophischen Konzepten der Gegen- oder Subkultur oder des Dekonstruktivismus der 80er Jahre zu fundieren. 


  • Was ist Dekonstruktivismus?
    Wissen.de: "philosophisches Konzept, das seit den 1960er Jahren besonders in den Geisteswissenschaften als Analyseverfahren Bedeutung erlangte. Ausgehend von der Theorie, dass jedes sprachliche und bildnerische Kunstwerk von vielschichtigen und widersprüchlichen Strukturen geprägt sei, bestreitet der Dekonstruktivismus einen rekonstruierbaren Sinnzusammenhang, da das Wirkliche an sich nicht darstellbar sei. Der Dekonstruktivismus lehnt die traditionellen Interpretationsverfahren ab, da diese die Vielschichtigkeit von Kunstwerken, insbesondere von Texten, gegen das Werk selbst reduzierten. Dagegen strebt er eine Lektüre- und Analysetechnik an, die in der Freilegung der Widersprüche und in der Aufhebung sowie Zergliederung (Dekonstruktion) der innewohnenden Strukturen und Regeln den Weg zum objektiven Verständnis sieht. Wichtige Schriften: Roland Barthes, Leçon/Lektion; Jacques Derrida, Die Schrift und die Differenz; Paul de Man, Allegorie des Lesens."
    Wikipedia: "Der Begriff Dekonstruktion ... wurde von Jacques Derrida ... geprägt ... Der Unterschied zwischen hermeneutischen und dekonstruktiven (antihermeneutischen) „Textbefragungen“ besteht darin, dass die Hermeneutik von einem quasi dialogischen Verhältnis zwischen Text und Interpret ausgeht, das auf ein zunehmend besseres Verständnis einer im Text enthaltenen Botschaft abzielt. Dabei wird eine rekonstruierbare Sinneinheit, ein Sinnzusammenhang, unterstellt. Dekonstruktivisten bemühen sich hingegen um den Nachweis, dass – und vor allem: wie – ein Text seine Bedeutung selbst hinterfragt, durchkreuzt und gerade mit solchen Paradoxien Sinn schafft, z. B. durch Widersprüche zwischen inhaltlicher Aussage und sprachlicher Form."
    Siehe auch: Kulturkritik. Wider die Soundscapes ...

Das Angebot des HMKV nur mit zeitgenössischer Medienkunst zu beschreiben, greift demnach zu kurz, auch wenn experimentelle (Medien-)Kunst einen Schwerpunkt bildet: Der HMKV beschäftigt sich mit zeitgenössischer "Kunst, die sich inhaltlich und konzeptuell mit unserer in starkem Maße medial und technologisch geprägten Gegenwart auseinandersetzt, welche sich durch neue Medien und Technologien radikal verändert. Zu den wesentlichen Zielen des HMKV gehören die Verhandlung von zeitgenössischen Themen und Fragestellungen, die Ansprache einer breiten Öffentlichkeit in der Vermittlungsarbeit sowie ein interdisziplinärer künstlerischer Ansatz."
Intercool 3.0
HMKV im Dortmunder U, 17. September 2010 - 28. November 2010
Vera Kriebel, 2010

Und das klingt einmal mehr nach einem mehr theorie- als IT-lastigen Überbau ... Inke Arns Ansätze sind oft sperrig und schwergängig, was die Ausstellungen selbst aber nicht unbedingt direkt widerspiegeln (glücklicherweise?). Da steht das Gemälde und die Fotomontage neben der Videoinstallation, erklärenden Wandtexten, Wand-Grafiken oder Literaturauszügen neben "Spieleecken", wo Computergames oder Onlinespiele ausprobiert werden können, neben Kunstobjekten, bizarren Plakaten, Dokumentationen von Aktionskunst, Performances ...


HMKV im Dortmunder U: Keine Angst vor Kunst, Spielen ...


Wer sich also unter den HMKV-Medienkunstausstellungen reine Jugend-, Gaming-, Video- oder Avantgarde-Veranstaltungen vorstellt, irrt. Sie haben etwas zu sagen, ein Thema, eine Geschichte - und das macht sie auch so abwechslungsreich, unterhaltsam und oft wirklich spannend, zwängen sich nicht ins Korsett der reinen Kunst, sind aber auch nicht moralinsaure gesellschaftskritische Veranstaltungen oder die Spielwiese durchgeknallter Nerds. Begriffe wie Gedächtnis, Erinnerung, Vergessen, Verdrängen, Entdecken aber auch im besten Sinne gesellschaftlich engagierte Kunstkonzeptionen sind beim HMKV zentral.

Die Ausstellungen des HMKV beginnen und drehen sich um komplexe Konzeptionen. Ein Wort gibt den Ausgangspunkt und man sucht und findet Geschichten um verwandte Worte und Vorstellungen herum. Wie die schöne Croatan-Geschichte zum "Verschwinden", eine fantastische Reise ins Vergessen und Verschwinden. Diese (erfundenen) Geschichten bildet den gemeinsamen Ausgangs-, Dreh- und Angelpunkt aller Kunstwerke der jeweiligen Ausstellung, die Erzählung wird aber auch in der Ausstellung selbst inszeniert, zieht sich also als deren roter Faden von einer Wand, einem Kunstwerk, einem Kinoraum, einem Spiel zum nächsten - wundervoll war das in der Ausstellung zum Verschwinden "Gone to Croatan" umgesetzt, die schon vom rein räumlichen Aufbau eine des Verschwindens, sich Verlaufens, aber auch des Erfindens und Entdeckens war.
Die besten Ausstellungen des HMKVs sind daher geradezu Krimis: Sie bauen nicht nur Spannung beim Besucher auf, sondern geben ihm mit dem Eintauchen in die Ausstellungswelt auch mit jedem Schritt neue Informationen, Enthüllungen, Eröffnungen. Die schlechteren sind banal, langweilig, kitschig oder dann doch moralinsaure Lehrstücke.

Fazit: HMKV


Kann Kunst und gesellschaftliches Engagement also auch spannend und Fun sein ...? Dass es nicht einfach ist, die Brücke zwischen meist massenmedial geprägter, konsumorientierter Funkultur und Medienspielen, zwischen künstlerischen Ansprüchen und einer kapitalismus-/wirtschafts-/ gesellschaftskritischen Zielrichtung, zwischen Ästhetik, Biss, Engagement, Fun zu spannen, wird in jeder HMKV-Ausstellung klar. Nicht immer sind die Ausstellungen rundherum gelungen, immer aber erzählen sie eine außergewöhnliche Geschichte und sind spannend, witzig, bedrückend, verspielt, kritisch, ironisch, informativ, lehrreich. 

Die Ausstellungen des HMKV sind jedenfalls alles andere als langweilig. Und es lohnt sich immer hinzugehen.

Bureau d'Etudes: Petropol (Geschichte der globalen Ölwirtschaft)
The Oil Show! 2011/2012
HMKV im Dortmunder U

Überblick und Infos zum HMKV, Dortmund

Seit 1996 hat der HMKV sich überregional, teilweise sogar international mit meist anspruchsvollen Film-, Video-, Musik- und Performanceprogrammen, Workshops, Vorträgen, Tagungen, Konferenzen und Medienkunst-Ausstellungen einen Namen gemacht, zum Beispiel 2010 mit Building Memory, der ISEA (International Symposium on Electronic Art) oder inter-cool zur Jugendkultur, 2011 The Oil Show, 2012 "Sounds like Silence". Der HMKV nutzt seit 2010 die dritte Etage des Dortmunder U als permanente Plattform seiner Ausstellungen. Für größere Ausstellungsprojekte kann er aber wie das Museum Ostwall auch die sechste Etage hinzunehmen, so beispielsweise bei "Gone to Croatan".

  • Adresse / Kontakt: Hartware MedienKunstVerein (HMKV): 3. Etage im Dortmunder U, Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund, Tel. 0231 496642-0, Mail: info@hmkv.de.
  • Anfahrt mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln: fußläufig etwa 500 Meter vom Hauptbahnhof entfernt oder mit der U-Bahn (U44, U43), Haltestelle Westentor. PKW: Richtung Dortmund Mitte/Zentrum fahren, dann den Ring/Wall entlang bis zum Dortmunder U.
  • Öffnungszeiten: Di-So, Feiertage 11-18 Uhr, Do 11-20 Uhr, montags geschlossen (außer an Feiertagen).
  • Eintrittspreise: 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro. Hinzu kommt unübersichtliche Rabatte und Kombitickets :-( Tipp: Der HMKV-Button, der meist als Eintrittsticket ausgegeben wird, gilt über die gesamte Laufzeit einer Ausstellung, also auch für mehrfache Besuche. 
  • Eintritt frei: An jedem ersten Mittwoch im Monat. Familiensonntag an jedem ersten Sonntag im Monat mit freiem Eintritt, 11-18 Uhr. Mit Kinderführungen, Kinderrallye ... 
  • Veranstaltungskalender, Führungen
  • Führungen (Dauer etwa 45 min): donnerstags 18:00 (After-Work-Führung), sonntags 16:00. Kostenlose Führungen für Lehrer. Führungen für Schulklassen ermäßigt 60 € inklusive Eintritt.  

Öl in Dortmund! Ölraffinerie am Dortmund U 
UBERMORGEN.COM (AT/CH): DOTOILDOT – U-OIL
The Oil Show! 2011/2012
HMKV im Dortmunder U

Aktuelle Ausstellungskritiken

Fotos HMKV 2010-2013

 

Agents& Provocateurs.
HMKV, Dortmunder U, 14. Mai 2010 - 18. Juli 2010

 

ISEA2010 - International Symposium on Electronic Arts
HMKV, Dortmunder U, 20–29 August 2010




Gone to Croatan – Strategien des Verschwindens
HMKV, Dortmunder U, 04. Juni 2011 - 14. August 2011




Katsuo Takuma: Miniaturen, Prototypen
Japan Media Arts Festival
Dortmunder U, 9/2011

ONISHI Yasuaki: restriction sight
Japan Media Arts Festival
Dortmunder U, 9/2011


Japan Media Arts Festival
Dortmunder U, 8.9.2011


Die größten Ölkatastrophen
The Oil Show! 2011/2012
HMKV im Dortmunder U


Suzanne Treister: Hexen 2.0
HMKV im Dortmunder U - 21.4.-22.7.2012

Artur Żmijewsk: Democracies
HMKV im Dortmunder U - 21.4.-22.7.2012




Eran Schaerf: fm-scenario – Sendesprache – verdeckte Operation – Ansage – Fehler
HMKV, Dortmunder U, 16. Februar 2013 - 01. April 2013

HMKV im Dortmunder U
Postkarte: If you can make it here you can make it everywhere
(C) HMKV

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