Mülheim an der Ruhr, Kunstmuseum

Über Jahre fährt man durchs Ruhrgebiet und immer an Mülheim und seinem Kunstmuseum vorbei. Dabei ist es fußläufig nur etwa fünf Minuten vom Bahnhof entfernt in der schönen, gar nicht so protzigen Alten Post aus wilhelminischer Zeit.

Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr
Foto: Vera Kriebel, 2012

Häufig wurden bereits Zweifel geäußert, ob das eifersüchtige Beharren im Ruhrgebiet auf einer Vielzahl von teilweise winzigen Kunstmuseen zweifelhafter überlokaler Bedeutung einen tieferen Sinn habe. Doch zugegeben - neben der geografischen Nähe zur Kunst eröffnet dies die Möglichkeit, immer wieder einmal eine Entdeckung zu machen.

Museumsführer Ruhrgebiet: Klassische Moderne und Expressionismus in Mülheim

Im Zentrum der Mülheimer Kunstmuseums steht die wundervolle, kleine Sammlung mit Werken des Expressionismus und der klassischen Moderne. Den besonderen Reiz macht dieses Museums aus, dass die Gemälde in einer Flucht kleiner Kabinette gezeigt werden, die einer ähnlich fernen Zeit entstammen wie die Kunstwerke selbst, aber anders als im Osthaus-Museum in Hagen betont schlicht gehalten sind (siehe Fotos unten). Die Bilder von Max Beckmann, Max Ernst, Lyonel Feininger, Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel, Emil Nolde, Franz Marc und August Macke sind eine Stiftung des Mülheimer Chemie-Nobelpreisträgers Karl Ziegler.

Der Mülheimer K. G. Themel schenkte dem Museum Zeichnungen von Heinrich Zille, die zusammen mit graphischen Serien unter anderem von Ernst Barlach, Marc Chagall und Pablo Picasso die weiteren Schwerpunkte des Kunstmuseums ausmachen.

Die zeitgenössische Gemälde-Sammlung des Mülheimer Museums ist dagegen mehr als übersichtlich und kommt eher plump und plakativ daher, so "Das Mädchen mit der Hohlwelt" von Dorothea Golz (van Eycks berühmtes "Mädchen mit der Perle" in einem durchsichtigen Ballon) oder Konrad Klapphecks platte "Die Problematik der Ehe" (siehe Fotos unten).

Schüler als Kuratoren: Menschenbilder von Heiner Schmitz

Heiner Schmitz: Menschenbilder,
Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr, 2012
Foto: Vera Kriebel, 2012

Daneben zeigt das Kunstmuseum auch größere und kleinere Sonderausstellungen, 2012 zum Beispiel "Menschenbilder" mit Fotografien von Heiner Schmitz (15. Juni 2012 bis 5. August 2012). Die "Menschenbilder" ziehen sich durch die fensterlosen Räumlichkeiten im Erdgeschoss und - eine tolle Ausstellungsarchitektur! - die hochgewölbten Hallen unterm Dach mit Ausblick auf die Mülheimer Innenstadt. Portraits aus fünf Jahrzehnten, aus Tunesien, aus türkischen Friseursalons, aus Palästina an der israelischen Grenzmauer, aus China, aus dem Mülheimer Stadtteil Eppinghofen.

Heiner Schmitz: Menschenbilder,
Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr, 2012
Foto: Vera Kriebel, 2012

Das Besondere an dieser Ausstellung sind aber nicht allein die Fotografien selbst, die frühen erkennbar in der Tradition sozialdemokratisch geprägter Dokumentarfotografie, die späteren an Ruff-Portraits erinnernd. Denn das Mülheimer Kunstmuseum hat den Mut besessen, die Ausstellung durch Schüler mitkuratieren zu lassen. In einem seit mehreren Jahren laufenden Schulprojekt werden Jugendliche als Kunstexperten, als Young Art Experts, tätig. Und die Schmitz-Schau (inklusive Katalog f. 14,90 EUR) ist ihnen jedenfalls trefflich gelungen!

Etta Gerdes: Projekte von Hahn Oberländer, 2012
Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr, 2012
Foto: Vera Kriebel, 2012

Parallel zu den "Menschenbildern" läuft im Sommer 2012 "Etta Gerdes - Fotografien kanadischer Landschaftsarchitektur. Projekte von Cornelia Hahn Oberlander." (15.6. - 5.8.2012) mit einigen, eher uninspirierten Fotos inspirierter Architektur, eine Ausstellung, die nur mit ihrem Katalog (10,-) einen gewissen Wert besitzt. Die Landschaftsarchitektin Cornelia Hahn Oberlander wurde 1921 in Mülheim/Ruhr geboren, musste aber in den 1930er Jahrern vor den Nazis nach Amerika fliehen und lebt in Kanada, wo sie für ihre Projekte, die Landschaft und städtische Architektur zu verknüpfen suchen, zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat.

Kunstmuseum Mühlheim an der Ruhr, 2012
Foto: Vera Kriebel, 2012

Infos zum Kunstmuseum in Mülheim (Ruhr)

In der Eingangshalle mit grünlichen Marmorsäulen gibt es übrigens nüchterne und doch einladende Sitzgruppen zum Ausruhen. Und vor der Post können Kinder im Sommer im bunten, stufenartig angelegten, weitläufigen Brunnen von Otto Herbert Hajek toben.

Adresse/Kontakt: Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr in der Alten Post, Synagogenplatz 1, 45468 Mülheim an der Ruhr, Tel.: 0208 / 455 41 71, Telefonauskunft am Wochenende und an Feiertagen: 0208 / 455 41 38.
Anfahrt/ÖPNV: Vom Hauptbahnhof Richtung Innenstadt/Fußgängerzone nur 5 Minuten zu Fuß. Mit PKW und Navi: Bahnstraße 11. Parken im Parkhaus Forum oder Tiefgarage Schlossstraße.
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Uhr, Mo geschlossen.
Eintrittspreise: 4,00 EUR, ermäßigt 2,00 EUR. Familienkarte (2 Erwachsene + 2 Kinder) 8,00 EUR, Kinder bis 6 Jahre Eintritt frei, Schulklassen. 2,00 EUR pro Kind (mit Führung). Mittwoch ab 14 Uhr kostenloser Eintritt!
Die Website ist sehr übersichtlich und informativ und enthält auch einen Kulturkalender für Mülheim.
Aktuelle Termine (Veranstaltungen, Führungen) stehen auf der Startseite. Das Halbjahres-Programm gibt es zum Download (Link auf der Startseite).
Jeden ersten Mittwoch im Monat um 15 Uhr "Kunst & Kaffee" (3,00 EUR).
Audio-Guide für die Sammlung Klassischer Moderne (2,-).
Wie überall im Ruhrgebiet wird Museumspädagogik und Kunstvermittlung groß geschrieben. Ein Angebot dabei sind Malschule und Fotoschule. Ein Schwerpunkt des Mülheimer Kunstmuseums ist die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Kunstentartung in generationsübergreifenden Zeitzeugenprojekten.
Das Kunstmuseum Mülheim (Ruhr) ist Mitglied der Ruhrkunstmuseen.